Hans Gartmeier* 27.03.1910 - † 04.05.1986

Charakteristik

Hans Gartmeier, Kunstmaler aus dem Emmental. Hält in seinen Werken die Beziehung zum ursprünglichen Leben wach!

Betrachtet man seine ruhigen, stimmungsvollen Landschaften und die friedlichen idyllischen Gegebenheiten, so überkommt einen ein inniges Behagen ob so einfacher Natürlichkeit. Man begegnet in den Bildern ziehenden Wolken im Himmelsblau, weissen Alpengipfeln hinter dunklen Wäldern und freundlichem Wiesengrün. Belebt wird die Landschaft immer wieder mit heimatlich verbundenen Menschen bei ihrer Arbeit, mit Pferden, Rindern und andern Haustieren, die der Künstler so treffend und lebendig darzustellen versteht.

Mit seinen naturverbundenen Darstellungen des Alltags auf heimatlicher Erde vermittelt er Ruhe, Friede, Freude und Besinnung — eine wahrhaft würdige Gesinnung für einen Künstler.

seine Geschichte

Werdegang

Wann ... Was ...
27.03.1910 in Langnau im Emmental geboren
als Sohn des Möbelschreiners Gartmeier Mathias & Bertha, geb. Mühlemann
1916 - 1926 Schulen in Konolfingen
Sekundarschule Grosshöchstetten
Lehre als Bauzeichner in Langnau i.E.
1926 - 1927 Technikum in Burgdorf
1927 - 1928 Ausbildung bei Kunstmaler Hans Zaugg, Bern Grundlagen des zeichnerischen Gestaltens
1928 - 1920 Kunstgewerbeschule Basel
Ausbildung bei Albrecht Mayer, Arnold Fiechter und Alfred Soder
figürliches Zeichnen und Radieren
Übergang zur eigentlichen Malerei
1931 - 1934 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf
Prof. Junghans (Tiermalerei)
Prof. Herberholz (Maltechnik)
1933 - 1936 Kunstgewerbeschule Bern
Beginn des freien Schaffens
Erste grosse Ausstellungen
1936 Heirat mit Rosa Lehmann von Röthenbach
Dieser Ehe erwuchsen vier Kinder:
Hansruedi, Konrad, Annemarie und Peter
40-er Jahre lässt sich Hans Gartmeier vorübergehend im Unteremmental (Nähe Heimiswil) nieder
Von der Vielfalt der Landschaft inspiriert sucht er eine feste Bleibe
1942 Mit seiner Familie endgültig Wohnsitz im Meienried, bei Röthenbach i.E.
ab 1946 etliche Studienaufenthalte in Florenz, Antwerpen, München, Paris u.a.
1975 Kunstbuch 'Hans Gartmeier - Persönlichkeit und Werk'
1985 Kunstbuch 'Hans Gartmeier, Band 1'
bis 1986 schafft er ein reiches Werk an Ölbildern, Zeichnungen, Lithographien, Radierungen etc.
Seine Lieblingsthemen waren:
  • Stimmungsvolle Landschaften
  • urchige Charakterköpfe
  • Bauern bei der Arbeit
  • Pferde und Kühe
  • Portraits
  • Akte
04.05.1986 in Langnau i.E. gestorben

Seine Geschichte

Kinderjahre

In der anmutigen, hügeligen Landschaft des Emmentals, inmitten behäbiger Bauernhäuser, die auf weiten Matten und an stotzigen Halden gelehnt stehen, wächst 'Hans Willy Gartmeier' als Sohn eines tüchtigen Möbelschreiners auf. Er hat kaum noch Kindheitserinnerungen an diesen Ort, denn seine Eltern schon vier Jahre später nach Konolfingen, einem Dorf zwischen Langnau und Bern, wo sie sich ein eigenes Haus bauten und der Vater eine Schreinerei betrieb.Auch hier gab es Hügel und Halden, Wiesen und Äcker, zeihende Wolken am leuchtend-blauen Himmel, Bäume und Sträucher und jubilierende Vögel. Der kleine Hans nahm alles mit wachen und staunenden Augen auf. Was ihn im Elternhaus umgab, die einfachen DInge, die schon immer da waren und auf die man sich verlassen konnte - das war sein Dasein. Fünf Jahre lang stapfte er hier zur Schule. Nichts zeichnete den Buben dort aus - noch nichts. Und doch sah er schon damals die Umwelt anders als seine kleinen Mitschüler. Die Dinge hatten für ihn eine andere Bedeutung; man konnte sie auch mit de mGemüt erfassen und verwundert über die nachdenken.

Mit elf Jahren besuchte er die Sekundarschule in Grosshöchstetten. Sein Schulweg war eine knappe Marschstunde lang. Zu der Zeit ging ihm auf, dass die Gegenstände Formen haben, farbig sind und dass man sie mit dem Stift auf ein Blatt Papier bannen kann. In der Schule wurde den Schülern - ja nach Lehrer — meist lieblos trockenes Wissen beigebracht. Hans fühlte,dass es nicht sein Lebensglück sein könnte, sich mit diesem Wissen vollzustopfen. Er spürte, dass es für ihn wichtiger sein müsse, sich mit den Augen in der Welt zurechtzufinden und das, was sich ihm zeigt, mit dem Stift festzuhalten und als Abbild neu zu erschaffen. Alles, was Leben in sich hat, was sich bewegt, zog ihn an; und so zeichnete er auf seinem langen Schulweg grasende Pferde und ruhende Rinder. Er freute sich darüber, wie gut es ihm gelang. Frühzeitig fand er so eine Gemeinschaft mit der ihn umgebenden Natur und entdeckte seine Begabung, diese im Bild festzuhalten. Der Schulaustritt stellte den fünfzehnjährigen Hans vor die Frage, welchen Beruf er ergreifen sollte. Sein Vater erwartete von seinem einzigen Sohn selbstverständlich eine Lehre in seiner Schreinerwerkstatt. Hans fügte sich nur kurze Zeit, denn schon bald stellte sich heraus, dass seine Berufung zum Künstler stärker war als alles andere. Das sahen auch seine Eltern ein. Damit war das Problem des Broterwerbs aber gar nicht gelöst. Auch der junge Gartmeier musste einsehen, dass er vorerst einen Beruf zu erlernen hatte, der wenigstens seinen Neigungen einigermassen entsprach und der später seine Existenz sichern konnte. Damit begann für ihn eine schwere Zeit.

Harte Lehr und Studienjahre

Schon der Start ins Erwerbsleben brachte dam jungen Mann eine Enttäuschung. Er fand eine Lehrstelle in einer lithografischen Anstalt in Bern, aber schon nach kurzer Zeit war diese Firma gezwungen, ihren Betrieb einzustellen. So musste er sich nach etwas anderem umsehen. Auch damals war das sehr schwer. Nun schickte ihn sein Vater nach Langnau, wo sein Onkel ein Architekturböro betrieb. Hier sollte er das Bauzeichnen erlernen. Aber auch das brachte keinen Erfolg; ebenso gut hätte er Schreiner werden können. Technische Pläne, Grund- und Aufrisse von Häusern zu zeichnen, war für ihn grundverschieden vom Versuch, Atmosphäre und Seele einer Landschaft einzufangen oder Form und Bewegung eines Tieres festzuhalten. Das plagte nicht nur ihn selber, auch sein Onkel sah bald ein, dass sein Neffe nicht dafür geschaffen war, von morgens bis abends mit Reissschiene und Winkel umzugehen. Freilich, eine Allerweltslösung wusste er auch nicht. Er war überzeugt, dass ihm ein Lehrgang am Technikum Burgdorf gefallen würde. Natürlich konnte Hans das Technikum nicht das bieten, was er sich erträumte. Nicht länger als ein Jahr hielt er es dort aus. Einen einzigen Lichtblick bot ihm dort der Zeichenunterricht.

Nun schaltete sich sein Lehrer aus der Sekundarschulzeit in Grosshöchstetten ein. Er gab den Eltern den Rat, den jungen Mann zur Ausbildung an die Kunstgewerbeschule in Basel zu schicken. Diese Lehrstätte erfreute sich schon seit langem eines ausgezeichneten Rufes. Der verständige Vater befolgte den Rat, und damit begann für Gartmeier das eigentliche Studium. Die zwei Basler Jahre wurden für ihn eine schöne Zeit, trotz den Einschränkungen, zu denen ihn seine bescheidenen Geldmittel zwangen. Seine Studien standen unter dem Einfluss altbewährter und verständnisvoller Lehrer, die ihm eine solide Grundlage für seinen Beruf ermöglichten. Vor allem lernte er das, was seinem Kunstschaffen einen besonderen Akzent geben sollte: figürliches Zeichnen und Malen von Landschaften und Tieren. Im Jahre 1930 kehrte er als Zwanzigjähriger zurück zu seinen Eltern nach Konolfingen. Er hatte zunächst erreicht, was er sich erträumt hatte; er war Maler, ein freier Künstler, der schon einiges vorzeigen konnte. Aber im geheimen wusste er: Es ist erst ein Beginnen.

Früh schon hatte er sich selbst gefunden, und nun erkannte er die in seinem Innern noch schlummermden Möglichkeiten. Es galt, diese zu entfalten und sich weiter umzusehen, sich auch fremden Einflüssen hinzugeben und Neues, das in sein künstlerisches Weltbild passte, aufzunehmen. Was in dieser Zeit der Entwicklung von ihm mit Stift und Pinsel geschaffen wurde, zeigt manches Hinneigen an ausgesuchte Vorbilder und übernommene Form und Farb-Ideen. Aber es waren bereichernde Studien, die das eigentliche Werk Gartmeiers nur insofem beeinflussten, als er nur solche Elemente behielt und weiterverarbeitete, die ihm die Mittel gaben, sich in einem weiteren, freieren Rahmen auszudrücken und dabei das zu bleiben, was er war.

In Konolfingen blieb er kein Unbekannter. Seine Bilder fanden da und dort Käufer, und mit Stolz nahm er erste Aufträge zum Porträtieren entgegen. In dieser Zeit entstand auch ein Jugendporträt des Schriftstellers Dürrenmatt. Diese Erfolge hielten ihn aber nicht davon ab, regelmässig Kurse der Kunstgewerbeschule in Bern zu besuchen und sich in die Fachliteratur zu vertiefen. Aber noch waren jugendlicher Sturm und Drang in seinem Wesen; es hielt ihn nicht in dem für ihn zu engen Kreis. Er hatte für seine Weiterbildung gespart und konnte nun für einen Studienaufenthalt nach Deutschland reisen. Die Staatliche Kunstakademie in Düsseldorf erfreute sich schon seit langem einer internationalen Berühmtheit. Viele bedeutende Maler haben sich hier das Rüstzeug für ihre Arbeiten geholt. Hier fand der nach Selbständigkeit Strebende unter dem Einfluss hervorragender Lehrkräfte und im Kreise gleichgesinnter Studienkameraden die innere Sicherheit und das fachliche Wissen und Können, um als gut ausgebildeter Maler und freischaffender Künstler seinen Weg fortzusetzen.

Prof. Schmurr für figürliches Zeichnen, Prof. Heberholz für Maltechnik und Prof. Junghans für Tiermalerei übten einen entscheidenen Einfluss auf Gartmeiers Werdegang aus. Mit diesen Lehrem blieb er auch später freundschaftlich verbunden. Eineinhalb Jahre dauerte sein Studium in Düsseldorf. Darauf kehrte er in seine Heimat zurück, um sich im väterlichen Haus eine eigene Existenz aufzubauen. Jetzt fand er auch in weiteren Kreisen seiner Heimat als Kunstmaler und Grafiker allgemeine Anerkennung. Nicht nur Private kauften und bestellten Bilder; auch Verlage und Druckereien wurden auf den jungen Künstler aufmerksam und erteilten ihm Aufträge. Erste grössere Ausstellungen zeigten der Öffentlichkeit sein Schaffen. In Zeitungen und Zeitschriften wurde in Wort und Bild lobend auf den Maler hingewiesen. «Die Garbe», das von Rudolf von Tavel gegründete Familienblatt, widmete dem Maler eine Nummer mit einer ganzen Reihe von Bildreproduktionen.

Gartmeier blieb dabei, was er war, ein bescheidener, lieber Mensch, der für seine Kunst lebte. Er suchte nicht Ehre und Geld, sondern Erfüllung, die er bei seiner geliebten Arbeit auch fand.

Jahre des Erfolgs

Ein neuer, bedeutender Abschnitt in Gartmeiers Leben begann, als der 25jährige seiner zukünftigen Frau begegnete. Er sah sich nach landschaftlichen Motiven im Oberemmental mit seinen Tälern, Eggen und Gräben um. Dabei kehrte er im Kurhaus Chuderhüsi oberhalb Bowvil ein. Da wurde er mit einem wohlgestalteten Mädchen bekannt, einer lieben, freundlichen Emmentalerin mit lachenden Augen und offenem Sinn, wie man sie sich echter und urwüchsiger nicht vorstellen kann. Der junge Maler wusste, dass sie die Frau seines Lebens war und dass er mit ihr glücklich werden könnte. Im Jahre 1936 heiratete er sein Rösli und zog mit ihm in ein freiwerdendes Stöckli im Kaltacker bei Heimiswil. Leider war die schöne Zeit dort nicht von Dauer. Gartmeiers schwere Erkrankung und der ausbrechende Krieg zwangen ihn im Herbst 1939, nach Bern überzusiedeln. Jetzt stellten sich Sorgen um die Zukunft ein. Mit der Mobilisation blieben mit einem Male Käufer und Auftraggeber aus, was blieb dem Mann mit Frau und Kind anderes übrig, als sich nach einer Anstellung umzusehen?

In einem Werbebetrieb fand er Arbeit; aber es muss für Ihn eine traurige Zeit gewesen sein, nur um des Geldes willen Reklameschilder und Schaufensterdekorationen zeichnen und malen zu müssen. Schon bald musste er ins Militär einrücken. Dort bekam er Kontakt mit dem Armeefilmdienst. Der Zufall wollte es, dass er dabei mit den Malern Traffelet und Morgenthaler zusammentraf. Die drei erbaten sich die Erlaubnis, die Im Lager in Täuffelen internierten Flüchtlinge zeichnen und malen zu dürfen. Das Gesuch wurde bewilligt, da die Absicht bestand, einige Bilder für die Sektion «Heer und Haus» zu verwenden. Damit war Gartmeier wieder In seinem Element. Er zeichnete und aquarellierte viele dieser in unserem Land internierten französischen, marokkanischen und polnischen Soldaten. Eine bernische Kunsthandlung veranstaltete mit der sehenswerten Sammlung von Bildern eine Ausstellung. Es muss wohl mit den damaligen Kriegsereignissen und dem Mitgefühl der Bevölkerung im Zusammenhang stehen, dass die Bilder Gartmeiers guten Absatz fanden. Die dargestellten abenteuerlichen Gestalten in abgerissenen und seltsamen Bekleidungen zeigten tragische Einzelschicksale als Folge des schrecklichen Krieges. Mit dieser Ausstellung rückte der Künstler erneut ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Er fand wieder Boden unter den Füssen. In der Stadt Bern hielt ihn jetzt allerdings nichts mehr. Er sehnte sich zurück auf die altvertrauten Höhen seines Emmentals, wo er stets das gefunden hatte, was es zum schöpferischen Gestalten bedurfte: eine Landschaft, die seinem Wesen entsprach, und Menschen, die er verstand und liebte.

Als freischaffender Künstler hatte er jetzt sein Ziel erreicht. Ausstellungen und Bildbesprechungen machten ihn weitherum bekannt. Seine Bilder, Gemälde und Grafiken fanden Liebhaber und Käufer. Sie stellten wirklichkeitsnah das dar, was Auge und Gemüt erfreut: heimatliche Landschaften, belebt von Mensch und Tier, urchige Bauerngestalten bei der Arbeit und in der Ruhe. Auch porträtierte er manches anziehende Gesicht. Er bekam nun Aufträge zum Ausschmücken Öffentlicher Gebäude, von Sitzungssälen und Geschäftshäusemn. Das erforderte für den Staffelei und Ateliermaler das Einarbeiten in neue Maltechniken. Inzwischen hatte er sich auch die Mittel erworben, um für seine Familie 1942 in Meyenried oberhalb Bowil ein eigenes Heim mit unvergleichlich schönem Rundblick über sein liebes Emmental bauen zu lassen. Hier lebt und wirkte er bis zu seinem Tod 1986.

Gartmeiers künstlerisches Werk

Das Emmental war und blieb Gartmeiers Heimat. Die liebliche Landschaft mit ihren Tälem, den aussichtsreichen Höhen und den breitausladenden Bauernhäuser hat ihn stets beschenkt und bot in reicher Fülle die Motive zu seinen Bildern. Schon durch das Blut seiner Vorfahren ist er mit dem ländlichen Leben seiner Heimat innerlich verwachsen. Mit den erdverbundenen Emmentalern erlebt er Jahr für Jahr das Säen, Wachsen und Ernten. Er fühlt mit ihnen, wenn sie um den Ertrag in Feld und Stall bangen, und teilt mit ihnen die Freude am Gelingen. Jeder kennt hier seinen Nachbarn und versteht ihn, weil er ihm ähnlich ist.

Ein harmonischer Klang gelassenen Behagens geht durch des Malers Kunst. Sie ist nirgends überschäumend, aber sie freut sich insgeheim, und ein beglückendes Gefühl heimatlicher Geborgenheit leuchtet über dieser Bilderwelt.

Gartmeier malt keine Märchen und nichts Phantastisches oder gar Spukhaftes, er bleibt Immer auf dem Boden der Wirklichkeit. Das Hintergründige des Menschseins empfindet er wohl, aber er hütet sich, solche Erkenntnisse In seinen Werken zur Darstellung zu bringen. Keine abstrakte Kunstrichtung hat Ihn je mitgerissen. Seine Malerei ist der Wirklichkeit und dem Nachschaffen des unmittelbaren Natureindrucks untergeordnet. Sein Schaffen erwächst aus der Freude am Schauen und Verstehen der Umwelt. Er glaubt, dass die Dinge so sind, wie sie sich zeigen, und er gibt ihnen im Bild auch den naturgemässen Ausdruck.

Betrachtet man seine ruhigen, stimmungsvollen Landschaften und die friedlichen idyllischen Gegebenheiten, so überkommt einen ein inniges Behagen ob so einfacher Natürlichkeit. Man begegnet in den Bildern ziehenden Wolken im Himmelsblau, weissen Alpengipfeln hinter dunklen Wäldern und freundlichem Wiesengrün. Belebt wird die Landschaft immer wieder mit heimatlich verbundenen Menschen bei ihrer Arbeit, mit Pferden, Rindern und andern Haustieren, die der Künstler so treffend und lebendig darzustellen versteht.

Die markigen, charaktervollen Bauerngesichter oder die anmutigen Kinder und Frauengestalten sind alle in der näheren Umgebung des Malers zu finden. Es fällt auf, dass der Künstler alles Sentimentale und Gesuchte vermeidet und sich vor raffinierter Effekthascherei hütet. Seine Bilder wirken gerade wegen ihrer schlichten Selbstverständlichkeit. Neben allem Realismus in der Wiedergabe versteht es Gartmeier, das innere Wesen der Dinge und deren Sinngehalt zu erfassen. Er bringt einen leisen Anflug von Romantik in seine Bilder, ohne sich in poetische Spekulationen zu verstricken. Ohne übertreibung lässt sich sagen, dass in seinem Werk die Natur des Künstlers und die Natur seiner Umwelt zu einer Einheit verschmolzen sind.

Gartmeiers Kunst ist geradlinig und weicht nirgends von der realistischen Darstellung und der altmeisterlichen Gewissenhaftigkeit im Detail ab. Dabei weiss er, dass alle Kunst einem ständigen Umbruch unterworfen ist und dass nach neuen Mitteln der Darstellung gesucht werden muss. Er hat jedoch erkannt, dass er nur mit seinem eigenen Stil, verbunden mit solidem handwerklichem Können, in seinen Bildern das ausdrücken kann, was ihn innerlich bewegt. So ist er als treuer Sohn seiner Heimat auch ein echter Maler seiner Heimat geblieben. Dazu fühlte er sich schon immer berufen. Mit seinen naturverbundenen Darstellungen des Alltags auf heimatlicher Erde vermittelt er Ruhe, Friede, Freude und Besinnung — eine wahrhaft würdige Gesinnung für einen Künstler.

Dennoch wäre es falsch, Gartmeiers Kunst in einen allzu engen Rahmen zu spannen. Nicht jeder Besucher seiner Ausstellungen und nicht jeder Besitzer eines seiner Bilder mit bäuerlichen Motiven oder Landschaften weiss, dass der Künstler hervorragende Figuren und Aktbilder geschaffen hat. Gerade hierin hat er es zur Meisterschaft gebracht. Der Bau des menschlichen Körpers und seine bildliche Darstellung faszinierten ihn schon in seinen Studienjahren. Plastische Anatomie und Proportionslehre galten schon damals als grundlegendes Rüstzeug jedes angehenden Malers. Für den mit dem Land verbundenen Gartmeier ergab sich von selbst der Wunsch, dieses Können auch auf die Darstellung des Tierkörpers auszudehnen.

Um sein Werk zu würdigen, muss man auch seine Darstellungen von Menschen und Tierfiguren, ganz besonders auch seine Akte gesehen haben. In den mit Bleistift, Kohle oder Kreide scheinbar flüchtig hingeworfenen Skizzen sitzt jede Linie. Von der Zeichnung bis zum vollendeten Gemälde weisen die von inm dargestellten weiblichen Körper Anmut, Liebreiz und herbe Schönheit auf.

Sein handwerkliches Können

Es liegt in Gartmeiers Natur, dass er an den erlernten akademischen Maltechniken leidenschaftlich festhält. Das gleiche lässt sich über sein streng überliefertes bürgerliches Kunstempfinden sagen. Als seine ursprünglichen Vorbilder kann man die niederländischen Meister nennen, die weitgehend Lasurfarben benützten und bei denen das Hell-Dunkel-Spiel von Licht und Schatten die Komposition bestimmte. Das zeigt sich beispielsweise an den Selbstbildnissen, die er in seiner Jugendzeit gemalt hat.

Hervorragend ist sein zeichnerisches Können. Es kommt nicht nur in seinen grafischen Arbeiten zum Ausdruck, sondern ist auch in seiner Malerei zu bewundern. Auf dem vorbereiteten Malgrund zeichnet er mit sicherer Hand die Konturen mit feinem Pinsel und dünner Farbe, so dass sich beim späteren Farbauftrag Korrekturen erübrigen.

Auffallend ist auch sein Sinn für eine ausgewogene Komposition. Natürlich gibt es dazu erlernbare Regeln, aber die Aufteilung der Bildfläche ist jeweils mit vielen Kompositionslösungen möglich. Um den besten Entscheid zu treffen, braucht es weit weniger technische und logische Erwägungen als künstlerisches Empfinden. Gartmeier verzichtet auf einen pastosen Auftrag der Farben. Seine Maltechnik begnügt sich mit einem eher bescheidenen Farbaufwand. Besonders bei seinen späteren Bildern lässt er den Malgrund und die zuerst aufgetragene grossflächige Anlage mit Tempera stellenweise durch die darüber gemalte Lasur schimmern. Dieses Vorgehen bringt viel Tiefenwirkung und Plastik in das Bild.

Hin und wieder unterbrach Gartmeier seine Arbeiten, um mit dem Besuch von Museen und andern Bildersammlugen im In- und Ausland neue Eindrücke zu gewinnen und seine Erkenntnisse zu erweitem. InDu : dorf kopierte er ein Bild von Hermskerk und m Kunstmuseum Bern das «Bildnis eines Jüng ings=» von Boltraffio. Von den Werken der flämischen Maler wurde er besonders angezogen. Um deren Originale zu sehen und studieren zu können, führten ihn seine Reisen zu verschiedenen ausländischen Kunststätten wie Colmar, Antwerpen, Brüssel, Paris, Wien und München. Recht fruchtbar erwies sich auch ein längerer Aufenthalt in Florenz. Es wäre verfehlt zu glauben, Gartmeiers Schaffen bliebe allein auf sein erlemtes technischas Wissen und Können beschränkt, eltlebes bemühte er sich um die Entfaltung des alten Handwerks, Er machte Versuche, um die richtigen Farben und das geelgnetste Materlal zu finden, Er rleb eigenhändig Farbstoffe, erprobte Bindemittel und Firnisse, um seinen Bildern zur vollen Farbwirkung zu verhelfen, Diese Freude am Experimentieren hat Gartmeier da u geführt, sich mit möglichst verschiedenen Techniken des Zeichnens und Malens auseinanderzusetzen, Er hat gelernt, mit Bleistift, Kohle und Kreide, mit Tusche und Tinte zu zeichnen und beherrscht es ausgezeichnet. Aber er wollte dieses Können auch dort anwenden, wo sich im Druckverfahren gleich mehrere Abzüge anferiigen lassen, Jedes aus solchen Techniken hervorgehende Blatt hat mit seiner spezifischen Prägung seinen eigenen Reiz, Gartmeier hat auch das Radieren von Grund auf erlernt. Mit dieser Maltechnik gelang es früher vielen alten Meistern, prächtige Bilder zu schaffen, die heute zum Kostbarsten grafischer Werke gehören. Beim ätzen der Kupferplatten bilden sich beissende Dämpfe. Sie hielten Gartmeier aber nicht davon ab, die Arbeit vom Ritzen der Zeichnung in die mit einer Isolierschicht üübergossene Platte bis zum Druck der Radierung eigenhändig auszuführen,

Mit Fleiss und Liebe widmete er sich auch einem anderen Druckverfahren, das seinem zeichnerischen Können sehr entspricht: der Lithografie. Das ist ein Flachdruck, der Ende des 18. Jahrhunderts von Senefelder erfunden wurde. Der Künstler zeichnet mit fetter Kreide oder Tusche auf eine plangeschliffene Kalksteinplatte, der Stein wird mit Wasser befeuchtet und danach eingefärbt. Dabei nimmt er die Farbe nur dort an, wo sich die mit fetthaltiger Kreide ausgeführte Zeichnung befindet. Von den übrigen Stellen wird die Farbe abgestossen. Heute sind die unhandlichen, schweren Steine aus den Druckereien verschwunden und haben leichten, körnig aufgerauhten Blechplatten Platz gemacht. Mancher Künstler findet aber auch heute noch am alten Handverfahren einen besonderen Reiz. Die Abzüge von Steinplatten haben eine ausserordentliche Originaltreue und werden von Kennern besonders geschätzt. Gartmeiers handausgeführte Originallithografien ergeben heute eine Sammlung, die sich sehen lassen kann. Sie dehnt sich auf die verschiedensten Motive — Landschaft, Mensch und Tier — aus.

Zu erwähnen sind hier noch zwei andere Techniken, die heute von Malern nur noch selten ausgeführt werden, die aber für Gartmeier von Bedeutung geworden sind: die Fresko-Technik und die Ofenkachelmalerei.

  • Die Fresko-Technik zählt zu den ältesten Techniken überhaupt. Sie befasst sich mit dem Ausschmücken von Gebäudewänden mit Bildern und Ornamenten. Mit Farben, die in Kalkwasser angerührt sind, wird auf die Wand gemalt, solange der Kalkmörtel noch nass ist. Der Farbauftrag geht mit dem Kalk des Mörtels eine chemische Verbindung ein und widersteht dadurch lange Zeit den Einflüssen der Witterung. Bei unserer heutigen Bauweise wird Zementmörtel verwendet, der sich als Malgrund für diese Technik nicht eignet. Daher wird auf das altherkömmliche Verfahren verzichtet. Heute verwendet man Silikatfarben, die sich für alle haltbaren Unterlagen eignen. Freilich dürfte diese abgeänderte Malweise nicht mehr als Fresko bezeichnet werden, aber im Sprachgebrauch hat man diese Benennung trotzdem beibehalten.
    Für einen Staffeleimaler ist es nicht leicht, auf einem schwankenden Gerüst zu arbeiten und einen kleinen, farbigen Bildentwurf auf eine grossflächige Wand zu übertragen. Dabei muss rasch und sicher bis in alle Einzelheiten vorgegangen werden. Der Künstler hat sich gerne mit dieser Aufgabe befasst. In seiner näheren und weiteren Umgebung sind eine ganze Reihe solcher grossdimensionierter, meisterhafter Wandgemälde entstanden. Sie schmücken öffentliche Gebäude, Sitzungssäle und Geschäftshäuser. Sie sind ein weiterer Beweis seines vielseitigen Könnens.
  • Gartmeier beschäftigte sich auch mit dem Bemalen von Ofenkacheln mit figürlichem und ornamentalem Schmuck. Die Kachelbemalung der Ofen in alten Bauernhäuser zeigt, dass man sich früher auch in unseren ländlichen Gegenden dieser Kunst bedient hat. Diese schmucken Kachelöfen regten Gartmeier dazu an, sich dieser alten Kunst anzunehmen und sie selber zu erlernen. Unter seiner geschickten Hand sind in manchem Haus Kachelöfen mit prachtvoller und sinniger Bemalung entstanden.

Das Heim und das Atelier

Das Haus des Künstlers, wo er bis am Ende lebte und wirkte, hat ein besonderes Aussehen. Der turmartige Anbau, worin sich das Atelier befindet, erinnert beinahe an ein Schlösschen. Das ergab sich aus den Anforderungen, ein Heim für sich und seine Familie, aber gleichzeitig auch einen idealen, lichtdurchfluteten Arbeitsplatz zu schaffen. Das eigenwillige, aber sehr heimelige Haus wurde nach seinen eigenen Ideen und nach den Skizzen seines Freundes Alfred Anklin im ländlichen Stil gebaut und passt ausgezeichnet in seine Umgebung. Von jeder Seite her hat es eine wohlgefällige Ansicht. Wer es sieht, hat sofort den Eindruck: Hier drin fühlt man sich wohl und geborgen.

Die Zimmer und Stuben im Haus sind holzgetäfelt. Überall hängen Bilder. Zum Teil sind es eigene, zu denen Gartmeier eine besondere persönliche Beziehung hat, zum Teil sind es Kopien alter Meister der realistischen Schule des ausgehenden 19. Jahrhunderts aus seiner Studienzeit, die ihm immer noch lieb sind. Eine Treppe führt zum Atelier im Obergeschoss. Hier stürzt eine wahre Fülle von Eindrücken auf den Betrachter ein. Der helle Raum ist weit und reicht bis zum Dachgewölbe. Die Wände sind mit Bildern aus verschiedenen Schaffensperioden des Künstlers bedeckt. Viel gibt es da zu sehen: traute Emmentaler Landschaften neben charaktervollen Porträts urchiger Bauern, das zarte Bild einer jugendlichen Ballettänzerin neben filigran wirkenden Zeichnungen, frische, lebensfrohe Kindergesichter neben kraftvollen Bauernpferden, einträchtig auf dem Feld arbeitende Bauern neben friedlich grasenden Kühen, lebendig wirkende, formvollendete Aktbilder neben den leise Trauer ausströmenden Bildnissen von Internierten, die Gartmeier in den Kriegsjahren gemalt hatte.

Am Boden stehen Bilder angelehnt, manche kaum angefangen, andere beinahe fertig. Inmitten der Vielfalt thront auf der Staffelei die Leinwand mit einer Landschaft, die wohl nur noch einiger vollendender Pinselstriche des Malers bedarf. Auf dem Stuhl daneben liegt die Palette, bedeckt mit bunten Ölfarben. Auf den Tischen und Gestellen liegen mit Grafiken und Entwürfen gefüllte Mappen. In einer Ecke des Ateliers steht ein Regal mit Gläsern, worin er seine Farbpulver zum Selberanreiben aufbewahrt. Daneben sieht man Flaschen mit Bindemitteln und Firnissen. Im Topf auf dem Tisch stecken Pinsel, grobe und feine, borstige und spitz auslaufende.

In einem anderen Teil des Raumes befindet sich Gartmeiers Bibliothek. Hier reiht sich in Regalen Buch an Buch, vom Boden beinahe bis zur Decke. Es ist alles Fachliteratur, die sich der Künstler im Laufe seines Lebens zur Weiterbildung angeschafft hat. Es sind nicht zuletzt das Studium und das ständige Zurate ziehen dieser Bücher, die ihn dem Leben und Werk der grossen Meister nahebrachten und ihn über die Kunst und Maltechniken vom Altertum bis in die Neuzeit unterrichtet haben.

Gerne erzählte der Künstler, wie es zum einen oder anderen Bild gekommen war. Man spürte seine ungebrochene Freude an seiner Arbeit. Er war immer sehr selbstkritisch und suchte sich ständig zu verfeinern. Er war zwar mit den Jahren ruhiger geworden, ruhte aber keinesfalls auf den Lorbeeren aus, sondern plante immer wieder einige Reisen, um in Museen des In- und Auslandes die Werke alter und neuer Meister studieren zu können. Daneben zog es ihn immer wieder hinaus auf die Wiesen und Hügel seiner engeren Heimat, um manches Landschaftsbild auf die Leinwand zu bannen.

Auch wenn das Alter an ihm seine Spuren hinterliess, machten ihm das fröhliche Wesen seiner Gattin und die Unterstützung seiner Tochter und Söhne Mut. Er fühlte sich glücklich, dass seine Bilder Freude bereiten, daher rührte seine immer junge Schaffenskraft, das war seine Berufung und Erfüllung.